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// Jean-Martin Büttner, Tages-Anzeiger

Der Dompteur, der nicht peitschen will

Während sieben Jahren hat Reto Brennwald die «Rundschau» moderiert und mit seinen Interviews gezeigt, dass sich Höflichkeit und Hartnäckigkeit nicht ausschliessen...

Reto Brennwald leitet heute seine erste «Arena». Er will Konfrontationen und keine Rituale. Aber waren die Konfrontationen dieser Sendung nicht gerade das Ritual?

Von Jean-Martin Büttner, Zürich

Er wollte Schauspieler werden und wurde Moderator. Er gilt als eitel, hat sich aber gut im Griff. Man sagt ihm Ehrgeiz nach, doch er gibt sich locker. Er hört gut zu und will die Fragen genau verstanden haben. Auch wenn er nichts sagen möchte, sagt er es gut. Seine Stimme klingt angenehm, doch lässt er einen keinen Moment lang aus den Augen. Er wirkt sympathisch, bleibt aber wachsam. Er ist ein ruhiger Typ und soll die lauteste Fernsehsendung der Schweiz moderieren.

Während sieben Jahren hat Reto Brennwald die «Rundschau» moderiert und mit seinen Interviews gezeigt, dass sich Höflichkeit und Hartnäckigkeit nicht ausschliessen. Der 44-jährige Winterthurer lernte bei Radio DRS das Handwerk und bei Roger Schawinski die Interviewtechnik. Jetzt soll er die «Arena» wieder füllen helfen.

Die Sendung für streitende Politiker hat in den 15 langen Jahren an Bedeutung verloren. Der Schlagabtausch der Parteien wirkt repetitiv, die immergleichen Kontroversen zu rotierenden Themen ermüden, jeder weiss schon vorher, was der andere antworten wird. Zwar erreicht die Sendung noch Spitzenquoten von 41 Prozent, wenn zum Beispiel über die abtrünnige Bundesrätin der SVP debattiert wird. Der Jahresdurchschnitt hat sich aber bei 24 Prozent stabilisiert. Früher, unter ihrem ersten, besten und umstrittensten Moderator Filippo Leutenegger, lag er bei 35.

Leutenegger hatte den Titel der Sendung wörtlich genommen. Er zog die «Arena» als Schaukampf mit politischen Gladiatoren auf, bei dem am Ende einer gewann. Das klang oft schrill, war aber selten langweilig. Und es funktionierte besser als das Palaver, zu dem die «Arena» verkommen ist, mit vier bis fünf Gästen, Experten und all jenen in der zweiten Reihe, die auch noch ihren Satz in die Kameras sagen wollen. Immer mehr reden und immer weniger sagen.

Der Druck der Gäste

Das ist auch Brennwald aufgefallen. Er habe das schon als Stellvertreter bei der «Arena» erlebt, sagt er: Dass die Leute bloss ihre Botschaften platzieren wollten. «Das führt dazu, dass niemand richtig zuhört.» Er möchte das durch journalistische Leistung korrigieren, «durch Rhythmuswechsel und Nachhaken». Filmische Einspieler und Umfragen sollen die Sendung zusätzlich beleben, die Ende August ein neues Dekor bekommt. Brennwald will nicht mehr Lärm in der «Arena», aber mehr Konfrontationen. Das aber sei nur möglich mit weniger Personal. Es sollen nicht gleich vier oder fünf sein, sondern nur so viel, wie das Thema vorgibt - am liebsten zwei.

Das hat den doppelten Vorteil, dass die Kontrahenten gründlicher diskutieren können - und das «Arena»-Team ihren politischen Erpressungsversuchen besser widerstehen kann. Parteien und Politiker wollten schon immer mitreden, wer in die Sendung kommen müsse, wer dagegen nicht dürfe, und über welches Thema man gar nicht reden wolle. Mit einem flexiblen Konzept lassen sich solche Einmischungen unterlaufen, zumal die Politiker die Sendung mehr brauchen als umgekehrt.

Von Erpressung mag Brennwald zwar nicht reden, verspricht aber, sich nicht unter Druck setzen zu lassen. Die Sendung sei für das Publikum gemacht und nicht für die Politiker, die vor der Kamera ihre Parlamentsdebatten fortsetzen wollten. «Ich möchte den Jargon hinterfragen; die Politiker müssen so reden, dass die Leute sie auch verstehen.»

Streiten in heftigen Zeiten

Politiker und Medienleute trauen ihm zu, die «Arena» interessanter zu machen. Das sieht auch Filippo Leutenegger so. Dabei tritt Brennwald viel gezügelter auf, veranstaltet kein Spektakel und wirkte in seinen bisherigen Auftritten solid, aber nicht mitreissend: ein Dompteur ohne Peitsche. Seine Stärke liegt in der unaufgeregten Moderation, dem genauen Zuhören, den präzisen Fragen. Das hebt ihn auch von seinen Vorgängern ab. Urs Leuthard moderierte sprunghaft und machte den Eindruck, er überlege sich während den Antworten seiner Gäste schon die nächste Frage. Und Patrick Rohr litt unter Konfliktschwäche. Statt die provokativen Voten mitzutragen, schwächte er sie in seinen Zusammenfassungen instinktiv ab, als sei die Sendung nicht als Austragungsort für politische Konflikte, sondern als Gruppentherapie angelegt.

Diese Konflikte haben sich seit Christoph Blochers Abwahl weiter verschärft.Und wo steht Reto Brennwald politisch? Er hält die Frage für irrelevant, obwohl er weiss, dass das nicht stimmt. Filippo Leutenegger hatte die «Arena» brillant moderiert, doch merkte man immer deutlicher, dass ihm die SVP mehr gefiel als ihre Gegner. Brennwald begann seine Karriere als Linker, klassierte sich in frühen Interviews als Grüner und wurde von der «SonntagsZeitung» unlängst als Rechtsbürgerlicher geoutet, eine Positionierung, die fernsehintern bestätigt wird. Er sei Journalist und kein Politiker, sagt er dazu. «Wichtig ist für das Publikum zu wissen, dass ich die Politik unabhängig betrachte und Politiker unabhängig befrage.» Er sei offen für alle Argumente und wolle wissen, wer die besten habe. «Das möchte ich wirklich wissen, als neugieriger, politisch interessierter Mensch.»

Dass die «Arena» die Extreme favorisiert und damit die SVP: Dieser Vorwurf, sagt Brennwald, sei so alt wie die Sendung selbst. Tatsache bleibt, dass sich zum Beispiel die FDP ausnehmend schwer tut mit der Sendung, während sie dem aggressiven Stil der SVP stark entgegenkommt. Das sieht auch der Zürcher SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli so, sagt es aber anders: «Wer keinen Standpunkt hat, kann ihn in einer solchen Sendung auch nicht formulieren.»

Wo steht er selber?

Brennwald lässt sich nicht beeindrucken. «Man muss immer prüfen, ob die einfachen Rezepte auch Probleme lösen können», sagt er. Mit politischem Klamauk lasse sich zwar die Quote steigern, längerfristig schade man damit der Sendung. «Die Zuschauer verlangen nach Substanz, also braucht es glaubwürdige Teilnehmer.» Dass der Stil der SVP gefährlich sei für die Demokratie, glaubt er nicht. «Dass wir heisse Debatten führen in einem erhitzten politischen Klima, halte ich für eine Chance, weil die Positionen klarer werden.»

Dass auch er nicht ganz gefeit ist von der Schweizer Sehnsucht nach Harmonie, zeigt der Satz, den er im Gespräch mehrmals verwendet: «Ich mag eine harte Debatte, nach der man trotzdem ein Bier miteinander trinken kann.»

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